Bildung neu
denken

Rund 65 Prozent der Schülerinnen und Schüler von heute werden einmal einen Beruf ausüben, den es heute noch gar nicht gibt. Im Jahr 2020 werden für 90 Prozent aller Jobs ausgeprägte digitale Fähigkeiten erforderlich sein. „Darauf müssen die Arbeitnehmer von morgen schon heute als Schüler vorbereitet werden, wenn Europa in der Welt wettbewerbsfähig bleiben will“, sagt die EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou. „Daten sind der Rohstoff der Zukunft“, ist sich Bundeskanzlerin Angela Merkel sicher. Einen ebenso klaren Standpunkt bezieht die Initiative „Digitale Bildung neu denken“, die Lehrer im tabletbasierten Unterricht schult. Hier heißt es: „Unsere Welt wird zunehmend digital. Eine Entwicklung voller Chancen, wenn wir der jungen Generation beibringen, sie richtig zu nutzen“.

Die Chancen nutzen, ist leichter gesagt als getan. Viele Schulen im Land sind noch weit davon entfernt, ihren Lehrern und Schülern einen „Klassenraum für das 21. Jahrhundert“ anbieten zu können. Die Zahl der Internet-Zugänge in den Schulen der EU und auch in Deutschland ist völlig unzureichend. Vassiliou kritisiert: „Mehr als 63 Prozent der neunjährigen Schüler fehlen eine angemessene digitale Ausrüstung und schnelle Internetanschlüsse.“ Deshalb legt die Landesregierung Baden-Württemberg einen besonderen Schwerpunkt auf die digitale Bildung. Der vom Bund initiierte „Digitalpakt“ stößt im Land auf breite Zustimmung. Demnach sollen alle Schulen in Deutschland mit einem Fünf-Milliarden-Programm für digitale Bildung fit gemacht werden. Grundschulen, weiterführende allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen sollen ausreichend mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, WLAN und Geräten versorgt werden. Die Arbeitgeber in Baden-Württemberg unterstützen den Plan. „Eine gute digitale Bildung ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Standorts Baden-Württemberg; dafür braucht es die richtigen Konzepte und die notwendige technische Ausstattung“, sagte der zuständige Verbandsgeschäftsführer Stefan Küpper.

Der Deutsche Städtetag hat ausgerechnet, dass für die Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik etwa 300 Millionen Euro benötigt würden, beurteilt aber den Digitalpakt grundsätzlich als positiv. Er könnte die Digitalisierung der Schulen im Land fördern und für neuen Schwung in der bundesweiten Diskussion über das Lernen der Zukunft sorgen. Darauf drängt auch die Europäische Union und hat deshalb beispielsweise ein neues, kostenloses Portal eröffnet (www.openeducationeurope.eu), das Schülern und Lehrern hilft, ihre digitalen Fähigkeiten zu verbessern. Lehrern werden digitale Lehrprogramme angeboten, Schüler können sich durch intelligente Lernspiele, Videos und kostenlose Software weiterbilden.

Schulbuch oder digitales Medium? Gerade im Matheunterricht an Gymnasien leisten iPad und Kollegen beste Dienste wie Pilotversuche gezeigt haben. Auch Interaktive Whiteboards bieten multimediale Präsentationsmöglichkeiten des Lernstoffes. Vieles geht im Unterricht mit digitalen Anwendungen leichter: Schüler können gemeinsam Texte erstellen. Sie arbeiten an einem Dokument, ohne dass sie dazu in der Schule sein oder zur gleichen Zeit arbeiten müssten. Das Netz macht es möglich, kollaborativer und zugleich individueller zu arbeiten.

Doch nach der Schulausbildung ist längst nicht Schluss. Unter dem Stichwort „Initiative 4.0 Baden-Württemberg“ ist unlängst ein Bündnis zur Stärkung der beruflichen Ausbildung und des Fachkräftenachwuchses gegründet worden. 25 Organisationen verschiedenster Fachbereiche haben eine „Road-Map“ erstellt, die zentrale Handlungsfelder und konkrete Aktivitäten für kleine und mittlere Unternehmen aufzeigen. Unter anderem werden vier regionale Dienstleistungszentren im Land, „Digital Hubs“, ins Leben gerufen, die als „Innovationsbeschleuniger“ die Digitalisierung in der Fläche voranbringen sollen. Die Ausbildung des Nachwuchses ist dabei ein wichtiger Faktor.

Sabine von Varendorff