Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg

„Unser Ziel ist, dass Baden-Württemberg führende Innovationsregion Europas bleibt. Die Digitalisierung gibt uns dafür alle Mittel in die Hand.“

Die gesamte Wirtschaft ist vom digitalen Wandel betroffen. Dabei ist die digitale Transformation für viele Unternehmen eine große Herausforderung – insbesondere im Mittelstand. Ob Cloud Computing, Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder Big Data – die Digitalisierung verändert die Ökonomie rasant und radikal. Früher oder später muss jedes Unternehmen Produkte und Geschäftsmodell anpassen. Alte Märkte verschwinden und neue entstehen. Alte Kostentreiber entfallen, und neue Investitionen werden gebraucht. Dafür werden hohe Umsätze nicht nur mit neuen physischen Produkten wie Smartphones, Wearables oder intelligenten Maschinen gemacht, sondern auch mit virtuellen Produkten und Dienstleistungen.

Frau Hoffmeister-Kraut, Sie haben parallel zur Allianz Industrie 4.0 eine neue Initiative Wirtschaft 4.0 gestartet. Worum geht es dabei?

Unser Ziel ist, dass Baden-Württemberg führende Innovations-region Europas bleibt. Die Digitalisierung gibt uns dafür alle Mittel in die Hand. Dieses Bewusstsein muss aber auch im kleinsten Betrieb im Land ankommen, nicht nur bei den großen.

Mit unserer kürzlich gestarteten „Initiative Wirtschaft 4.0“ wollen wir und die beteiligten Partner die Unternehmen im Land und ihre Beschäftigten branchenübergreifend – also auch im Handwerk oder im Dienstleistungsgewerbe – bei der Digitalisierung unterstützen und den deutschen Südwesten als internationalen Premiumstandort für die digitalisierte Wirtschaft noch sichtbarer machen.

Insbesondere der Mittelstand muss noch stärker und konsequenter beim Einstieg in das Thema Wirtschaft 4.0 und bei dessen Umsetzung unterstützt werden, damit wir seine Stellung als starker Wirtschaftsfaktor und größter Arbeitgeber im Land auch in Zukunft sichern können.

Gleichzeitig haben Sie die Studie „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“ anfertigen lassen, in der insbesondere die Digitalisierung eine große Rolle spielt. Lassen sich daraus konkrete Maßnahmen ableiten, was getan werden muss?

Ja, mit Bezug auf die digitale Transformation der Handwerksbetriebe hat uns die Studie eine Vielzahl von Handlungsfeldern aufgezeigt. Gemeinsam mit einem Expertenteam wurden diese Empfehlungen in konkrete Aktionsmöglichkeiten überführt, die auch die bestehenden Angebote des Landes und des Bundes berücksichtigt.

Die Betriebe müssen einerseits informiert und sensibilisiert werden, das machen wir zum Beispiel mit unseren Digitallotsen. Zum anderen benötigen sie neben Analysewerkzeugen zur Bestimmung ihres Digitalisierungsgrades auch vertiefende Unterstützung für die Konzeption, Entwicklung und Umsetzung einer Digitalstrategie in den Betrieben.

Unsere geplanten Projekte und Initiativen setzen an diesen Schwerpunkten an und beinhalten deshalb beispielsweise die Förderung von Digital-Werkstätten zur Erprobung und Demonstration neuer digitaler Anwendungsmöglichkeiten im Handwerk, eine modellhafte Übertragung von „digitalen Innovationspfaden” in die Bildungszentren des Handwerks oder auch die modellhafte Einrichtung einer „Lernfabrik 4.0 für das Handwerk”.

Wo steht das Handwerk im Land im Vergleich zu anderen Bundesländern und Staaten im Bereich der Digitalisierung?

Laut einer Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks vom Januar 2017 sieht mehr als jeder fünfte Betriebs-inhaber die Digitalisierung als Chance mit hoher Bedeutung für das eigene Geschäftsfeld, nur jeder zwanzigste als Risiko.

Es gibt auch im Handwerk digitale Pioniere, die sich schon lange mit dem Thema befassen und sehr weit sind. Genauso gibt es aber digitale Nachzügler, vor allem im eher kleinbetrieblichen Bereich. Und mittendrin stehen Betriebe, die grundsätzlich offen sind und auch schon aktiv, die aber noch nicht mit der nötigen Konsequenz das Thema verfolgen. Die Unterschiede hängen auch sehr vom jeweiligen Gewerk ab.

Dementsprechend variiert auch der Unterstützungsbedarf. Generell geht es uns mit unserer Förderung um die Neustrukturierung der Unternehmensabläufe, die Nutzung IT-gestützter Lösungen im Produktionsprozess und die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger hinken vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen im Land noch etwas hinterher. Sehen Sie das auch so, und wie könnte die Politik helfen?

Wir begreifen das Themenfeld „Digitalisierung der Wirtschaft“ umfassend nicht nur im Sinne von „Industrie 4.0“, sondern im Sinne von „Wirtschaft 4.0“. Deshalb zielen wir dabei neben der Industrie insbesondere auch auf das Handwerk, den Handel, die Hotellerie und Gastronomie sowie die Dienstleistungswirtschaft. Unser Ansatz dafür ist die „Initiative Wirtschaft 4.0“, die ich anfangs schon erwähnt habe. Sie hat gerade die kleinen und mittelständischen Betriebe im Blick.

Durch die Initiative erproben wir zum Beispiel eine Digitalisierungsprämie, mit der wir diese Betriebe branchenübergreifend bei konkreten Digitalisierungsschritten unterstützen. Zudem werden wir regionale Digital Hubs initiieren, mit denen wir die Digitalisierung der Wirtschaft noch stärker in der Fläche des Landes verankern wollen.

Ein wesentlicher Motor der Digitalisierung ist der Breitbandausbau. Was tut sich in diesem Bereich? Sind alle Regionen mit schnellerem Internet versorgt – insbesondere auch der ländliche Bereich?

Industrie 4.0 oder autonomes Fahren sind ohne leistungsfähige Datennetze nicht denkbar. Nötig ist dafür ein massiver Ausbau der Breitband-Infrastruktur. In Baden-Württemberg können heute bereits 77,3 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss von mindestens 50 Mbit/s und 93,3 Prozent der Haushalte über eine LTE-Mobilfunkversorgung verfügen. Mit diesen Zahlen liegt Baden-Württemberg in der Spitzengruppe der Flächenländer in Deutschland.

Auch im Jahr 2017 werden in Baden-Württemberg wieder deutlich über 100 Mio. Euro für die Breitbandförderung zur Verfügung stehen.

Wie viel Geld stellen Landesregierung und Wirtschaftsministerium für die digitale Aufrüstung zur Verfügung?

Die eben erwähnten über 100 Mio. Euro des Landes für die Breitbandförderung werden ergänzt durch rund 125 Mio. Euro, die wir als Wirtschaftsministerium zur Verfügung stellen, um die Digitalisierung der Wirtschaft im Land voranzubringen. Das umfasst die Förderung der Projekte unserer neuen „Initiative Wirtschaft 4.0“, aber auch branchenspezifische Maßnahmen wie das Applikationszentrum Industrie 4.0 oder die Unterstützung der Unternehmen bei Querschnittsthemen wie IT-Sicherheit und Arbeit 4.0.

Dann sind das Land Baden-Württemberg und seine Wirtschaft aus Ihrer Sicht gut auf den digitalen Wandel vorbereitet?

Wir verfügen in Baden-Württemberg über eine sehr gute Ausgangsbasis und können die digitale Transformation daher aus meiner Sicht mit Selbstvertrauen und Optimismus angehen. Im Land läuft schon einiges. Mit unserer „Initiative Wirtschaft 4.0“ wollen wir jetzt den Turbo einlegen und Baden-Württemberg auf dem Weg ins digitale Zeitalter einen ordentlichen Schub verleihen. Dafür haben wir uns in einer „Roadmap Wirtschaft 4.0” auf zehn Handlungsfelder verständigt, die wir gemeinsam mit den Partnern der Initiative bearbeiten wollen. Die Digitalisierung kann nur in enger Kooperation aller relevanten Akteure im Land gelingen. Auf diesem Weg sind wir jetzt dynamisch und gut unterwegs.


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