Max Maier

Für die einen ist der Unternehmer Max Maier ein Querdenker und Branchen-Innovator, andere sehen in ihm einen Freigeist und Visionär. Bei seinem Bestreben, den bisherigen Food-Flow zu revolutionieren und zu einem nachhaltigen System zu kommen, ist er letztlich aber vor allem eines: ein Mensch, der sich für die Grundbedürfnisse seiner Mitmenschen interessiert und einsetzt.

„Gutes Essen ist ein Grundrecht“

Max Maier,
Unternehmer und Innovator

Herr Maier, Sie propagieren einen Paradigmenwechsel im Food-Flow und treiben diesen mit Ihren Ideen und Zukunftsvisionen auch unermüdlich an. Was genau verstehen Sie darunter?

Ganz einfach: weg vom Einweg, hin zum Mehrweg – zu einer konsequenten Nachhaltigkeit. Das ist der entscheidende Punkt. Lebensmittel werden heute fünf-, sechsmal umgepackt, und sie legen durchschnittlich 4.000 Kilometer zurück, bevor sie auf dem Teller liegen. Dieser Marathon macht das Essen ganz sicher nicht besser, und die CO 2-Bilanz fällt auch nicht gerade gut aus. Wir müssen den Food-Flow daher anders organisieren, regionaler und saisonaler. Unser Ziel ist, den Transportweg zwischen Acker und Verbraucher auf vielleicht 40 bis 80 Kilometer zu reduzieren. Das verstehe ich unter einem Paradigmenwechsel.

Und wie wollen Sie das erreichen?

Dazu braucht es zum einen eine neue Kommunikationstechnologie, über die wir mit dem Internet uneingeschränkt verfügen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die gesamte Nahrungskette damit verbunden ist und alle Schritte im Lebensmitteltransport lückenlos getrackt und damit transparent gemacht werden. Außerdem brauchen wir einen neuen Transportmechanismus. Dafür haben wir unsere „thermoporte” mit den Gastro-Behältern entwickelt, ein weltweit normiertes Mehrwegsystem, das Plastikverpackungen und anderen Müll überflüssig macht. Wichtig ist außerdem, dass dieser Prozess von nachhaltigen Energiequellen gespeist wird.

Wo liegen die Vorteile eines solchen Systems?

Es gibt dabei eine ganze Reihe an Vorteilen, vom ökologischen Mehrwert bis zur Möglichkeit der Rückverfolgung und der lückenlosen Transparenz. Die Behälter sind mit einem QR-Code ausgestattet, über den sie jederzeit identifiziert werden können. Gleichzeitig werden sämtliche relevanten Informationen in Echtzeit über das Digitalisierungs- und Organisationssystem °CHECK gespeichert. So weiß der Kunde jederzeit mit einem Blick auf sein Smartphone, wo sich sein Essen gerade befindet. Und er weiß beispielsweise auch, welche Temperatur das Essen gerade hat, weil sie mit einem drahtlosen Kerntemperaturfühler gemessen und via Bluetooth übertragen wird.

Ein Beispiel bitte.

Ein Spargelbauer aus Fellbach oder Neuhausen auf den Fildern hat frisch geerntet und stellt sein saisonales Angebot über das Internet in eine Cloud. Von dort holt sich ein Küchenchef aus der Region wenig später die aktuelle Info und bestellt den Spargel, der bereits in einem genormten Behälter mit QR-Code verpackt ist. Ein Transportunternehmen wie etwa DHL, das ebenfalls über die Cloud informiert und in Gang gesetzt wird, liefert ihm dann die Ware in dem Behälter, in dem das Essen gleichzeitig auch gekocht, gelagert und ausgegeben wird. Hinterher geht der Behälter wieder zurück an den Produzenten, also den Spargelbauer, der ihn wieder befüllt und das nächste Angebot in die Cloud stellt. Auf diesem Weg kann ein sinnvoller und nachhaltiger Kreislauf entstehen. Die Grundidee dabei ist, sämtliche relevanten Daten an ein zentrales System zu übertragen, über das sie von überall mobil abrufbar sind. Das können beispielsweise Angaben zu den verschiedenen Nährwerten oder über Allergene im Lebensmittel sein oder auch Informationen über den Eigentümer und den Behältertyp. All das wird im Foodbook gesammelt.

Das hört sich aufwendig an. Wo stehen Sie gerade?

Wir sind fertig mit dem Konzept für den Paradigmen­wechsel und leben ihn hier in unserem urbanharbor auf dem Innovationscampus in der Ludwigsburger Weststadt auch vor. Im speisewerk werden jeden Tag 2.600 Essen gekocht, mit ­denen unter anderem Kitas, Schulen, Altenheime und andere Einrichtungen versorgt werden. Jeder, der will, kann gerne zu uns kommen und sich ein Bild davon machen, wie der
Paradigmenwechsel aussieht und vor allem wie er schmeckt. Um eine größere Dimension zu erreichen, also die Idee in die Welt hinauszutragen, brauchen wir aber verbündete Partner, die das Konzept mittragen und weiterverbreiten. Wir müssen eine geeignete Infrastruktur schaffen, um die Frische und Qualität der Lebensmittel zu garantieren, Verschwendung auszuschließen und das alles auch noch möglichst kostengünstig abzuwickeln. Das ist die eigentliche Herausforderung in unserem Geschäftsmodell. Alleine schaffen wir das nicht.

Letztlich schaffen Sie es wohl nur, wenn praktisch alle mitmachen …

So ist es. Erzeuger, Distributoren und die Gastronomie müssen Hand in Hand arbeiten, damit wir unser Ziel erreichen. Viele Millionen Menschen in Deutschland essen heute jeden Tag
im öffentlichen oder halböffentlichen Bereich, also etwa in ­Kantinen. Wenn wir dort mit cleveren digitalen Lösungen an­setzen würden, wäre schon viel gewonnen. Jeder hat das Recht auf ein gutes und gesundes Essen, davon sind wir hier überzeugt.
Gutes Essen ist ein Grundrecht. Wenn die Infrastruktur stimmt und es einen einfachen Weg vom Acker zum Kunden gibt, wird dadurch auch regionalen Anbietern oder Biobauern ein optimaler wirtschaftlicher Vertrieb ermöglicht. Das wäre auch ein Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Und ganz nebenbei werden durch die Digitalisierung und Standardisierung auf diesem Weg auch die Preise demokratisiert. Wir geben den Konsumenten damit also wieder etwas Macht zurück.

Das hört sich ein wenig nach Revolution an. Was treibt Sie an, und wie lange beschäftigt Sie dieses Thema schon?

Tatsächlich habe ich mir bereits während meines Studiums in Tübingen Mitte der 70er-Jahre zum ersten Mal Gedanken ­darüber gemacht. Damals hat mich vor allem eine gesellschaftspolitische Frage bewegt: Es gibt genug von allem auf der Erde – warum sind wir nicht in der Lage, es richtig zu verteilen? Ich habe mich gefragt, warum so viele Menschen verhungern ­müssen, obwohl wir global betrachtet dreimal mehr an Essen produzieren, als wir brauchen, und Lebensmittel tonnenweise weggeworfen werden. Für meine Promotion hatte ich dann auch das Thema „gerechte Verteilung der Lebensmittel“ ausgesucht. Mein Professor hatte mir dann aber angesichts vieler grandioser, aber ungelesener Doktorarbeiten in seinem Regal dazu geraten, lieber rauszugehen und die Welt zu verändern. Diesem Rat versuche ich bis heute zu folgen.

Sie sind schon als vieles bezeichnet worden: Querdenker, Branchen-Innovator, Freigeist, Visionär. Wie sehen Sie sich selbst?

Am ehesten als philosophischen Architekten, wobei ich dabei nicht an Häuser denke, sondern eben an gesellschaftliche ­Strukturen und Bedürfnisse. Es geht mir darum, die Verände­rungen der Zukunft zu lösen und die Grundbedürfnisse der ­Menschen zu erfüllen. Das ist es, was mich interessiert und antreibt. Das Essen ist dabei die Speerspitze unserer Kultur­auseinandersetzung. Wir definieren uns heute längst nicht mehr über den Glauben oder ein schickes Auto.

„Es geht mir darum, die Veränderungen der Zukunft zu lösen …“

Max Maier,
Unternehmer und Innovator

Den Unterschied macht, wie man sich ernährt. Die einen vegetarisch, andere ­vegan, ökologisch nachhaltig oder sonst wie. Die Haltung zum Essen ist zu einer Art Lifestyle geworden, einer Mode­erscheinung. Das wiederum zeigt, wie groß der Überfluss sein muss. Dem steht aber immer noch ein großer Mangel gegenüber. Warum verhungern immer noch Kinder in Äthiopien und ­anderswo? Und was muss man tun, damit sich das ändert? ­Unsere Vision ist, dass wir einerseits unsere Esskultur retten und gleichzeitig vielleicht auch einen Beitrag zu etwas mehr sozialer Gerechtigkeit leisten können.

Glauben Sie, dass die Vision Wirklichkeit werden kann?

Der Türöffner dazu ist ganz ohne Zweifel die Digitalisierung. Was in den letzten 40 Jahren gefehlt hat, war eine technische Lösung, die es ermöglicht, den gesamten Food-Flow über eine zentrale Plattform neu zu organisieren. Als mir mein Sohn dann vor einiger Zeit sein Smartphone erklärt hat, da wusste ich sofort: Damit wird es funktionieren.

Das Interview führte Markus Heffner

Vita Max Maier
1984 Eisfink – Sanierung einer Tradition
1991 Kaufland – erster großflächiger Lebensmitteleinzelhandel
1991 Alte Sonne – der erste Stern
1994 Ikea – Development Tammerfeld
2005 Rieber – ein weltweiter Standard
2008 Alinox – Mehrschichtmaterial revolutioniert das GN-Kochgeschirr
2014 Porsche Design – Sitzverlegung ins Werkzentrum Weststadt
2016 Porsche und Bosch – erste Start-up-Szene im Werkzentrum Weststadt
2016 Digital Champion Award – für die erste IOT-Lösung by Rieber
2016 speisewerk – modernste Großküche Deutschlands für unsere Schulverpflegung
2016 urbanharbor – mit 3.500 Menschen die Zukunft für 80 Millionen bereiten